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01.03.2023
#Doku #zumNachlesen #JungesFFT

Play Full 2023

"Mach dein Ding"

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In der Performance Das Haus meines Geistes des Schweizer Kollektivs Old Masters geht es um die drei Freund*innen Kim, Klöb und Mauro, die Objekte gerne anders benutzen, als man es erwartet und um Jonathan, ein Cousin, der dazu stößt. Auch Jonathan möchte so gerne sein Ding machen, doch wie? Was könnte das sein? Jonathan findet eine überraschende Antwort darauf…

Inspiriert von dieser Performance, die im Rahmen des Mini-Festivals Play Full (23.-28.2.23) am FFT Düsseldorf zu sehen war, beschäftigte sich die ASSITEJ-Werkstatt Mach Dein Ding mit künstlerischen Praxen und Fragen rund um Selbstbestimmtheit, Freiräume und Selbstorganisation – Themen, die nicht nur für künstlerische Prozesse, sondern auch für Schulen, Theaterinstitutionen und Prozesse der kulturellen Bildung gleichermaßen relevant sind.

Neben Old Masters waren als Impulsgebende auch die jugendlichen Performer*innen von All About Love, der stellvertretende Schulleiter des Wim-Wenders-Gymnasium aus Düsseldorf und die Performance-Gruppe Rottderdam Presenta eingeladen. Kolleg*innen und ASSITEJ-Mitglieder aus Deutschland, Studierende und Lehrende der Universität zu Köln und Theaterschaffende aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und aus Frankreich nahmen an der Werkstatt teil.

So war es umso erstaunlicher, dass es den rund 50 Teilnehmer*innen im Rahmen des ersten Inputs von Old Masters gelang, gemeinsam ein künstlerisches Experiment durchzuführen, in dem eine Bühnenanordnung mit Objekten geschaffen wurde. Old Masters teilten dabei eigene Methoden, die sie für ihre Arbeit nutzen, leiteten diese an und erklärten ihre Arbeitsweise im Rahmen eines anschließenden Gesprächs. Kern ihrer Praxis ist das Ausprobieren, das sie dem Verstehen voranstellen: Zuerst probieren sie etwas aus, dann versuchen sie, es zu reflektieren, zu durchdringen – zu verstehen. Könnte diese eine alternative Methode für Wissensaneignung sein, auch in der Schule?

Die Performer*innen von All About Love stecken mitten im Arbeitsprozess für ihre nächste Produktion, in dem sie dem großen Themenkomplex Liebe im Kapitalismus auf die Spur kommen wollen. Das ist gerade ihr Ding. So tauchten die Teilnehmer*innen der Werkstatt gemeinsam mit den Performer*innen direkt in den Rechercheprozess für die Produktion ein. Wie gehen Liebe und Arbeit zusammen?

Hannes Stork vom Wim-Wenders-Gymnasium sprach über die Hürden, aber auch die vielen Möglichkeiten und Freiräume im System Schule und über die notwendige strukturelle Anbindung von Kultur in der Schule. Welche Wege können dafür aus der Schule heraus gefunden werden, wenn Lehrpläne der Kultur nur eine nebensächliche Rolle zuweisen und alle Förderungen für kulturelle Bildung nur außerschulische Projekte unterstützen? Auch Lehrer*innen können das System Schule hacken. Dass es sich lohnt, auch als Lehrer*in, sein Ding zu machen, in diesem Fall Freiräume für ein künstlerisches Projekt in der Schule zu schaffen, zeigten Ausschnitte aus der Video-Performance „Hey du!“ von Josep Caballero García und Kamila Kurczewski am tanzhaus nrw.

Stine Hertel und Johanna Yasirra-Kluhs von der Performance Plattform Rotterdam Presenta brachten Fragen aus ihrem aktuellen Arbeitsprozess mit: Wie lenkt Architektur unsere Wahrnehmung von Theater? Wie soll der Raum aussehen, der alles rahmt, der die Blicke des Publikums organisiert und unser Zusammenkommen bestimmt? Muss es immer eine Blackbox sein? Kann man in diesen tradierten Theater-Räumen überhaupt sein Ding machen, oder müssen wir dafür neue Räume erfinden? Diese Frage stand am Ende der Werkstatt im Raum.

Es gab aber auch eine andere, übergeordnete Frage, die der Werkstatt und dem Play Full Festival zugrunde lag, die hidden agenda (so etwas wie die versteckte Agenda)der Gastgeberin (in diesem Fall auch der Autorin dieses Blogbeitrags): Kann es gelingen, dass Jugendliche, Theaterschaffende, Fachpublikum und Lehrer*innen zusammenkommen und auf Augenhöhe zusammenarbeiten? Meist ist es so, dass Künstler*innen mit Jugendlichen arbeiten, oder Lehrer*innen Jugendliche unterrichten oder Künstler*innen Lehrer*innen fortbilden, oder umgekehrt. Auch mit Initiativen wie der Drama Control am Jungen Schauspielhaus in Bochum, beim Frankfurter Forum Junges Theater oder im Fundus Theater in Hamburg gibt es Projekte, in denen junge Menschen den Fachdiskurs mitgestalten. Wie kann es funktionieren, dass alle ihre künstlerischen Praxen miteinander teilen? Was kommt dabei raus? Was, wenn Jugendliche Erwachsene anleiten und diese plötzlich die Übungen und Spiele spielen müssen, die sonst Jugendlichen in Theaterkontexten vorbehalten sind? Führt es dazu, dass wir den Klatschkreis abschaffen, ganz neue Methoden und Kommunikationsweisen erfinden müssen oder wird der Kreis einfach nur größer, vielleicht am Anfang etwas weniger rhythmisch, dafür aber mehrstimmiger? Letzteres schien mir an diesem Tag der Fall zu sein.

Konzeption und Umsetzung der Werkstatt: Irina-Simona Bârcă mit Old Masters (Sarah André, Marius Schaffter, Jérôme Stünzi), Stefanie Elbers, Carlotta Kramer, Pina Wagner, Merlin Waller, Marlena Kreis, Andrei Vinnik, Alina Dittmann, Addy Nascente, Elias, sowie Hans-Jürgen Stork, Johanna-Yasirra Kluhs und Stine Hertel