Ausbruch aus der Spirale des Anthropozän

Als Autor, Redner und Yoruba-Philosoph ist Dr. Bayo Akomolafe vor allem mit seinem Buch „These Wilds Beyond Our Fences“ bekannt geworden, das aus Briefen an seine kleine Tochter besteht, in denen er über die Lebensbedingungen auf dem krisengeschüttelten Planeten Erde nachdenkt. Im März war der 1983 im westlichen Nigeria geborene Akomolafe mit seinem Vortrag „Welcome To The Afrocene“ und einem anschließenden Gespräch mit der Re_Generation-Kuratorin Siegmar Zacharias bei uns zu Gast.

Sein Konzept des „Afrocene“ ist ein dekolonialer Gegenentwurf zum Anthropozän – dem menschengemachten Zeitalter der Industrialisierung. In seinem Ansatz beschreibt Akomolafe, wie sich die Menschheit angesichts von Klimaerwärmung, Umweltkatastrophen und Artensterben immer wieder auf die Hoffnung beruft, die unheilvollen Folgen der modernen Zivilisation rückgängig machen zu können – zum Beispiel durch weiteren technologischen Fortschritt. Doch jede vermeintliche „Lösung“ reproduziert im Grunde dasselbe zerstörerische Prinzip, das den menschengemachten Katastrophen zugrunde liegt.

Die Menschheit, so beschreibt es Akomolafe, befinde sich in einem „Death Circle“, der sich auch bei Ameisen beobachten lässt. Die Insekten bewegen sich in Form einer kreisrunden Kolonie – blind und gesteuert durch die Pheromone ihrer Artgenoss*innen. Aus diesem Zirkel auszubrechen, ist quasi unmöglich; die Wiederholung dessen, was die Artgenoss*innen tun und getan haben ist die Grundlage des Wirkens aller Ameisen in dem Zirkel. Die raren Momente, in denen eine Ameise es schafft, sich aus ihrem „Death Circle“ zu entfernen, basieren auf Infektion. Eindrücklich beschreibt Akomolafe, wie manche Ameisen von einer speziellen Pilzart befallen werden, die sich ihrer Organe und ihres Verhaltens bemächtigt, indem sie einen neuen Organismus innerhalb der Ameise aufbaut.

Ausbruch aus einer immergleichen Spirale durch Infektion? Der Philosoph wendet in seinem Re_Generation-Vortrag dieses Denkmodell auch auf die Menschheit an: Ist es für die Menschheit überhaupt möglich, die von ihr kreierte Spirale von Industrie, Umweltzerstörung und Klimaerwärmung zu stoppen – wenn all diese Probleme doch durch die Menschheit selbst entstanden sind? Akomolafe glaubt: Ja – und zwar durch Infektion, genau wie bei den Ameisen. Sich zu verbinden mit anderen Arten und Spezies und der Trauer über die damit einhergehenden Veränderungen und Verluste einen Raum zu geben – das sei eine Möglichkeit, dem Zirkel zu entkommen und echte Veränderung überhaupt erst denkbar zu machen: Welcome to the Afrocene!