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03.11.2025
#Schlafforschung #Performance

Zwischen Wachen und Schlafen

The Fall of Sleep am FFT

Vier Personen liegen entspannt nebeneinander auf bunten Decken, die Augen halb geschlossen, in ruhiger, träumerischer Atmosphäre.

Schlaf ist ein Zustand, der uns allen vertraut ist – und doch bleibt er rätselhaft. Etwa ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend, und dennoch wissen wir erstaunlich wenig darüber, was in dieser Zeit mit uns geschieht. In einer Gesellschaft, die auf Produktivität und Kontrolle ausgerichtet ist, wird selbst der Schlaf zunehmend vermessen, optimiert und überwacht. Doch was passiert, wenn wir uns diesem Zugriff entziehen?

In der Performance The Fall of Sleep erschaffen Montserrat Gardó Castillo und Petr Hastik gemeinsam mit den Musikern Ted Gaier und Nicolás Kretz ein poetisches Ritual, das sich dem Zwischenzustand von Wachen und Schlafen widmet. In einer nächtlichen Umgebung, in der Wiegenlieder auf Club-Echos treffen, wird Schlaf als fragiles Gemeingut gefeiert – als leises Versprechen einer anderen Welt. Vor der Premiere am Donnerstag, 20. November haben wir Montserrat Gardó Castillo drei Fragen gestellt.

Was hat euch daran gereizt, das Thema Schlaf künstlerisch zu erforschen?

Ausgangspunkt war eine persönliche Erfahrung. Als wir vor zwei Jahren Eltern wurden, wurde Schlaf zu einem zentralen Thema – nicht als Erholung, sondern als Verhandlungsfeld. Es zeigte sich die Fragilität von Rhythmen, die Abhängigkeit zwischen Körpern und die unsichtbare Care-Arbeit. Von da an begannen wir, Schlaf über den privaten Bereich hinaus zu betrachten: seine Regulierung, seine historischen Veränderungen und seine Rolle innerhalb der Biopolitik. In heutigen Gesellschaften wird sogar der Schlaf überwacht, optimiert und kapitalisiert. Wir interessierten uns für die Spannung zwischen Schlaf als Zone des Widerstands – wo die Produktion pausiert – und Schlaf als Mechanismus der Disziplinierung.
Gleichzeitig scheint der Schlaf eines der letzten mythischen Elemente innerhalb des säkularen Körpers zu bleiben – ein Raum, in dem die Vernunft ihre Autorität verliert und etwas Unbekanntes fortbesteht. Künstlerisch konzentrierten wir uns auf den Moment des Einschlafens, den hypnagogischen Zustand, in dem sich die Wahrnehmung fragmentiert und das Bewusstsein abdriftet. Es wurde zu einer Möglichkeit, über Körper nachzudenken, die sich aus ihrer Funktion zurückziehen, und über die Vorstellungskraft als eine nächtliche, ungewisse Form des Wissens.

Wie entsteht in eurer Arbeit die Verbindung zwischen Bewegung, Klang und Text?

Obwohl wir beide aus dem Tanzbereich kommen – wir haben beide an den Konservatorien in Prag und Barcelona und später an der Folkwang UdK studiert –, war unsere künstlerische Praxis von Anfang an interdisziplinär. Kollaborationen mit VA Wölfl/NEUER TANZ, Gintersdorfer/Klaßen, Tino Sehgal, Ben J. Riepe und Heiner Goebbels unter anderem haben unser Verständnis von Performance als einem Raum geprägt, in dem verschiedene Medien aufeinandertreffen. In unseren eigenen Arbeiten entwickeln wir diesen Ansatz weiter – indem wir Choreografie, Klang, Bild und Text zu hybriden Bühnenformen kombinieren.
In The Fall of Sleep wird dieser Dialog durch unsere Zusammenarbeit mit den Musikern Ted Gaier und Nicolás Kretz erweitert, mit denen wir die musikalische Struktur von Anfang an konzipiert haben. Die Darsteller auf der Bühne verfügen über dieselben Mittel: Bewegung, Stimme, Klang und Sprache. Diese Elemente verflechten sich, um sowohl die Ideen als auch die sinnliche Erfahrung des Stücks zu vermitteln. Auch hier steht die von Knut Klaßen und Jörn Nettingsmeier entworfene Raumarchitektur im Mittelpunkt, die eine immersive Umgebung schafft, in der das Publikum in die Atmosphäre eintauchen kann, anstatt sie nur zu betrachten.

Was erwartet das Publikum in der Hypnagogic Club Session?

Die Hypnagogic Club Session ist als partizipatives Format konzipiert – flexibel und anpassungsfähig an unterschiedliche Kontexte, Räume und Mitwirkende. Sie erweitert das Universum von The Fall of Sleep und übersetzt die Ideen in eine kollektive und körperlich stärker einnehmende Erfahrung. Der Fokus liegt auf dem Körper und den Sinnen, auf dem gemeinsamen Gleiten durch wechselnde Zustände der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.
Die Teilnehmer sind eingeladen, sich treiben zu lassen, sich hinzulegen, zuzuhören und ihre Wahrnehmung zu verändern. Die Session kombiniert Klang, Stimme und subtile performative Aktionen mit dekonstruierter Clubmusik und schafft so einen langsamen, immersiven Rhythmus, der sich im Laufe der Zeit entfaltet. Es geht weniger um Spektakel als um Atmosphäre – ein kollektives Eintauchen in das Hypnagogische. Jede Ausgabe passt sich ihrer Umgebung und den teilnehmenden Personen an und verwandelt den Schlaf in eine gemeinsame, instabile Choreografie zwischen Ruhe und Bewusstsein.


THE FALL OF SLEEP

DO 20. – FR 21.11. + SO 23.11.
FFT, Bühne II

Hier geht es zur Veranstaltung
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Montserrat Gardó Castillo in unserem Kompliz*innenarchiv