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19.12.2022
#Interview #Gespräch

Würdest du mit einer Ameise tauschen wollen?

Alexander Karschnia von andcompany&Co. im Gespräch

Die Berliner Künstler*innen andcompany&Co. wagen in GLOBAL SWARMINGTHE SCIENCE OF THE ANTZ die Verwandlung zur Ameisenkolonie. Im Angesicht globaler Krisen und Kriege machen sich viele Menschen Gedanken über die Zukunft. Auf die Idee, mit einer anderen Spezies zu kooperieren, sind die Berliner Künstler*innen andcompany&Co. gekommen. Auf der Bühne wagen sie in ihrer Performance „Global Swarming“ das Experiment und begeben sie sich in die Welt der Ameisen. Aber was genau fasziniert sie an den Insekten? Wir haben Alexander Karschnia von andcompany&Co. gefragt.

FFT: Wenn du jetzt sofort dein Leben mit einer Ameise tauschen könntest: Würdest du es tun?

Alexander Karschnia: Spätestens wenn klar wird, dass wir Menschen das Ziel, die von uns gemachte Erderwärmung auf 1,5 C zu begrenzen, verfehlt haben (was schon sehr bald der Fall sein kann), würde ich definitiv mit einer Ameise tauschen wollen, denn Ameisen gibt es schon 150 Millionen Jahre, sie haben schon eine globale Heißzeit und ein Massenaussterben hinter sich. Ich bin sicher, Ameisen wird es auch in 150 Millionen Jahren geben und wenn es uns dann nicht mehr geben sollte, weil wir den Planeten für unsere Art unbewohnbar gemacht haben, dann wird die einzige verbliebene soziale Art, die sozialen Insekten, allen voran die Ameisen, mit großer Wahrscheinlichkeit das Antlitz des Planeten prägen. Wir werden dann für sie so etwas sein wie die Dinosaurier für uns. Vielleicht gibt es ja dann auch entsprechende Filme, in denen Ameisenwissenschaftlerinnen versuchen, uns wiederzubeleben…

FFT: Was haben Ameisen und die Antifa gemeinsam?

Alexander Karschnia: Eine ganze Menge, zumindest auf Englisch, nämlich die ersten drei der sechs Buchstaben! Das finde ich auch nur gerecht, denn lange Zeit wurden die Ameisen als eine Art faschistisches Ungeziefer betrachtet, weil sie angeblich in einem totalitären Staat leben mit einer Art kastenartiger Arbeitsteilung unter dem despotischen Regime einer Art Über-Ameise. Das ist natürlich alles Quatsch: Ameisen leben in einem selbstorganisierten „Superorganismus“. Die Königin macht nichts außer permanenter Reproduktion, sie erteilt keine Befehle, sondern verströmt einen Duft, der ihre Millionen Töchter, die Ameisenarbeiterinnen, zusammenhält. Das Faszinierende ist, wie sie task switching betreiben und sich dazu wie Transformer verwandeln können – Kasten gibt es bei ihnen nicht, erst recht keine „Aufseherinnen“. Das große Ameisengeheimnis ist ihre Kommunikation: zwar wissen wir, dass das über Duftstoffe läuft, sog. Pheromone, aber alle Ameisenforscher*innen haben das Gefühl, dass da noch mehr ist, eine Art Telepathie.

Was uns besonders fasziniert hat ist, dass Ameisen mit ihren Fühlern den CO2 Gehalt in der Luft messen können. Damit wären sie so etwas wie ideale Verbündete für eine interspezifistische Klima- Bewegung gegen den „fossilen Faschismus“. Wir wissen von „crazy ants“, die so verrückt sind nach Elektrizität, dass sie Kurzschlüsse provozieren, die ganze Gigafactories lahm legen können. Sollten wir den nächsten evolutionären Schritt gehen und zu einer Kooperation zwischen den Arten kommen, einem Bündnis der beiden erfolgreichsten sozial lebenden Arten unter den Wirbeltieren (uns) und den Wirbellosen (den Ameisen), dann würde es vielleicht tatsächlich zu einer utopischen „Abschaffung der Arten“ kommen, einer Art Kommunismus im biologischen Maßstab.