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17.07.2024
#Ausblick #Digitalität

Welttheater TikTok

Konferenz, Workshops, Performances

Die Medien- und Theaterwissenschaftlerin Martina Leeker beschreibt Performances auf TikTok als ein „Welttheater… jenseits des Menschen-Theaters“. Ihr Aufsatz „Performing TikTok. Anleitung für ‚versierte Spieler‘ im posthumanen Theater digitaler Kulturen“ ist online vollständig zu finden. Wir veröffentlichen hier einen kleinen Ausschnitt. Wer mehr über TikTok als Bühne erfahren und Martina Leeker als Speakerin erleben möchte, sollte sich schon mal unsere Veranstaltung TIKTOK – Virales Theater vom 25. bis 27.10. in den Kalender schreiben. Gemeinsam mit dem tanzhaus nrw und mit vielen Künstler*innen und Content Creator*innen wollen wir ausprobieren, was das Theater von TikTok lernen kann und ob man den Algorithmus austricksen kann. Die Veranstaltung ist der Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Kunst und Begegnungen“ des Bündnisses Internationaler Produktionshäuser.

Laut Martina Leeker kann TikTok durchaus als eine neue Form des Theaters beschrieben werden – und da werden wir natürlich hellhörig: „An den Rändern des traditionellen und institutionellen Theaters entsteht mithin ein weltweit situiertes und erreichbares Theaterhaus mit unzähligen Bühnen und Dramen; ausgenommen sind die Länder, in denen TikTok gesperrt ist. […] Folgt man also der Ausweitung von Performance und Theatralität auf TikTok, dann zeigen sich gravierende Erschütterungen des traditionellen Verständnisses von Theater und der mit ihm ausgebildeten Institutionen. Dies betrifft z.B. die Unterteilung in professionelles Stadttheater, freie Szene und Laientheater, das System der Kuratierung von Theater durch Expert*innen, die Institutionalisierung der Theaterausbildung oder das Zelebrieren eines besonderen Theaterpublikums. Wird TikTok als eine neuartige Form von Theater gelesen, und nicht einfach als eine Plattform für kürzeste Filme von Performances abgetan, dann zeigen sich im Gegensatz zum traditionellen Theater eine eigene, posthumane Ästhetik, Infrastruktur und Organisationsform. Im TikTok-Theater können, wie gesehen, alle performen, kuratiert wird von einem Algorithmus und flüchtigen Likes menschlicher Agierender. Professionelles Schauspiel und am Theater geschultes Zuschauen erübrigen sich in der Kunst der Meme-Erzeugung zum Zwecke der Optimierung von Vernetzungen. […] Menschen handeln, gestalten und entscheiden nicht mehr alleine, sondern im Verbund mit algorithmischen Operationen. Es gilt mithin, diese techno-humane Ko-Operativität mit Hilfe einer im TikTok-Theater erzeugten und erprobten posthumanen Mentalität zu erlernen und performen zu können, und sich dabei gut zu fühlen. Dies ist umso wichtiger, als die posthumane Situation tradierte Ordnungen von Anthropologie, Politik, Sozialität, Geschichte und Ökonomie infiltriert (vgl. Claus Pias | Impuls: Digitalität – Ende oder Anfang der Aufklärung?, Konferenz »Digitalität und Verantwortung«, ZKM 2019). Dabei werden vor allem das moderne, mit Vernunft und Autonomie ausgestattete Subjekt sowie an demokratischen Aushandlungen im Dissens orientierte politische Organisationsformen problematisch und von einem Modell interdependenter techno-humaner Relationsgefüge sowie von Praktiken konsensueller Rituale abgelöst.“

Leeker entwirft die Figur des versierten Spielers. Sie „ist darin ausgebildet, die algorithmischen Spiele und Performances mitzuspielen und damit im Performen immer schon digitale Kulturen mit zu generieren. Zugleich kann sie zumindest stellen- und zeitweise intervenieren und kleine Aufklärungen platzieren, die gleichwohl sogleich Teil des Spiels werden. Dies ist doch ein probater Ausgangspunkt dafür, Big Data als Drama anders zu erzählen und zu spielen“.

Wir sehen uns im Oktober! Einen Ausblick auf die Workshops, Vorträge und Performance, darunter eine Premiere des onlinetheater.live, findet ihr jetzt schon. Und wer so lange nicht warten kann, hier gibt es den gesamten Text zu TikTok als Welttheater und zum versierten Spiel von Martina Leeker.