zurück zur Übersicht
10.02.2021
#ASSITEJ #JUNGESFFT

ASSITEJ Preis 2021

Laudatio für das FFT unter der Leitung von Kathrin Tiedemann

Eine Girlande mit der Aufschrift ASSITEJ.

Von Rebecca Hohmann (Theaterpädagogin, Schauspielerin, Dramaturgin und Künstlerische Leiterin des Moks, Bremen)

Die Begegnung mit Kunst braucht Räume für Unbekanntes. Sich einlassen auf ein sinnliches Erleben. Ein ‚Nicht wissen, was kommt‘.

Kathrin Tiedemann will als Leiterin des Forum Freies Theater in Düsseldorf solche Räume schaffen: Räume für Kunst, für Künstler*innen, für das Publikum. Räume jenseits des Erwartbaren, schon Gewussten, das nur noch bestätigt werden will.

Etwas nicht zu wissen und sich auf dieses Nicht-Wissen einlassen, dies als Freiraum zu empfinden und offen zu sein für die Begegnung mit Kunst, darum geht es Kathrin Tiedemann.

Sie arbeitet seit 2004 unermüdlich am freien Produktionshaus FFT daran, die Interessen der Künstler*innen und des Publikums immer wieder aufs Neue in Einklang zu bringen. Dabei spielen die Darstellenden Künste für junges Publikum von Beginn an eine gleichberechtigte Rolle – in den Produktionsbudgets, in den Zuständigkeiten im Team und für das Profil des Hauses insgesamt. Wir freuen uns, dass sie heute gemeinsam mit Irina Bârcă hier sein kann.
„Theater ist eigentlich eine Kunst für junge Menschen“ sagt Kathrin Tiedemann, wenn sie darüber nachdenkt, warum sie als Zuschauerin und Macherin keinen Unterschied zwischen Theater für junges Publikum und Theater für Erwachsene macht. Weder Sparten noch Publikum möchte sie entlang von Trennlinien denken. Vor allem aber sieht sie die Themen des Theaters als Themen junger Menschen: Wie tritt das Individuum in die gesellschaftliche Ordnung ein? Welche Gedanken möchte ich weiterdenken und dabei auch radikal sein? Wie stelle ich mich dar, zeige mich, positioniere mich? Wo entsteht Reibung und wie gehe ich damit um?

Das FFT hat kein Ensemble und so werden Jugendliche zu denjenigen, die einer Spielzeit Kontinuität verleihen: Die künstlerischen Kollektive wechseln, weil sie produzieren, zeigen, weiterziehen – so will es die Logik der Projekt- und Produktionsförderung. Aber die Jugendlichen begleiten das Haus und das Team durch die Spielzeit, sind selbst nicht als Lernende, sondern als Partner*innen und künstlerisch Produzierende am Haus, nutzen es als ihren Ort und gestalten es mit.

Viele Künstler*innen kommen immer wieder zurück ans Haus und entwickeln Formen und Inhalte gemeinsam mit dem Produktionshaus weiter. Künstler wie *Yves Thuwis und Ingo Toben, Kollektive wie Pulk Fiktion, Machina Ex und Showcase beat le Mot._*Der Fokus liegt hierbei im Experimentellen, in der performativen Kunst, die einem jungen Publikum zugänglich gemacht wird. Grundsätzliche Fragen – von der Idee des Lernens oder des Theaters als Gegenentwurf zur Schule bis zum Theater der Digital Natives und der Frage, was das sein kann, jetzt und in Zukunft – werden zur Diskussion gestellt.

Das FFT ist permanent Gastgeber, Heimat auf Zeit, auch wenn Festivals und Symposien stattfinden. Es bleibt dabei klein und wächst doch stetig. Die Anerkennung des Geleisteten zeigt sich aktuell deutlich im neuen Haus, das derzeit gebaut wird. Ohne Haus bespielt das FFT die Stadt und den digitalen Raum. Mit dem neuen Haus wird es mehr können und auch mehr wollen: Die Idee des Repertoires lässt sich nicht umsetzen in einem Produktionshaus, aber eine wiederholte Begegnung mit dem Publikum vielleicht schon.

Das FFT ist permanent Partner*in in Koproduktionen und Kooperationen, in der Stadt und über sie hinaus, auch international. Mit dem Theater an der Ruhr, mit Institutionen und Festivals entstehen Formate und Ideen, die immer wieder zurück kommen auf die großen Fragen von heute, die uns alle beschäftigen, die wichtige Idee der Teilhabe an Kunst und Kultur für alle und den eigenen Auftrag, Künstler*innen zu fördern und ihnen Begegnungen mit dem Publikum – egal welchen Alters – zu ermöglichen.

Wir verleihen heute den ASSITEJ Preis 2021 an das FFT unter der Leitung von Kathrin Tiedemann in Anerkennung dieser Arbeit und als Ermutigung für alle anderen Produktionshäuser, Kinder und Jugendliche als Publikum und Partner*innen gleichberechtigt mitzudenken und einzubeziehen.

ASSITEJ steht für Association Internationale du Théâtre pour l’Enfance et la Jeunesse. Die Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche hat rund 80 nationale Zentren auf allen Kontinenten. Zweck der ASSITEJ ist die Erhaltung, Entwicklung und Förderung des Kinder- und Jugendtheaters.

www.assitej.de